Gerichtsurteil in Revision beim BSG: Sturz im Homeoffice ist kein Arbeitsunfall

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Quellen: beck aktuell und t3n

Außendienstler stürzte auf der Treppe ins Homeoffice

Der Kläger – ein angestellter Gebietsverkaufsleiter im Außendienst – arbeitet regelmäßig auch im Homeoffice. Im September 2018 stürzte der Kläger auf dem Weg von den Wohnräumen in seine Büroräume eine Wendeltreppe hinunter und erlitt einen Brustwirbeltrümmerbruch. Die beklagte Berufsgenossenschaft Handel und Warenlogistik lehnte die Gewährung von Entschädigungsleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ab. Es liege kein Arbeitsunfall vor. Der Sturz habe sich im häuslichen Wirkungskreis und nicht auf einem versicherten Weg ereignet. Dagegen klagte der Kläger erfolgreich vor dem Sozialgericht.

LSG verneint Arbeitsunfall

Das Landessozialgericht hat nunmehr der Berufung der Beklagten stattgegeben. Die Voraussetzungen eines Arbeitsunfalles seien nicht gegeben. Der vom Kläger zurückgelegte Weg sei weder als Weg nach dem Ort der Tätigkeit gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII wegeunfallversichert noch als versicherter Betriebsweg anzusehen. Bei der Wegeunfallversicherung beginne der Versicherungsschutz erst mit dem Durchschreiten der Haustür des Gebäudes. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts könne ein im Homeoffice Beschäftigter niemals innerhalb des Hauses beziehungsweise innerhalb der Wohnung auf dem Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit wegeunfallversichert sein.

Kein versicherter Betriebsweg

Die Annahme eines Betriebsweges scheide ebenfalls aus, da sich der Kläger zum Zeitpunkt des Treppensturzes auf dem Weg in sein Arbeitszimmer zur erstmaligen Aufnahme seiner versicherten Tätigkeit am Unfalltag befunden habe. Es handele sich bei Betriebswegen um Strecken, die in Ausübung der versicherten Tätigkeit zurückgelegt würden. Vor- und Nachbereitungshandlungen der versicherten Arbeitsleistungen fielen nicht darunter. Der Kläger habe den Weg zurückgelegt, um seine versicherungspflichtige Tätigkeit im Homeoffice am Unfalltag erstmalig aufzunehmen.

Empfehlung

Nach aktueller Rechtslage ist es laut der Expertin sehr zu empfehlen, Unfälle im Homeoffice privat abzusichern: „Einige Arbeitgeber schließen für diesen Fall auch Gruppenunfallversicherungen ab, die einspringen, wenn Berufsgenossenschaften den Unfall im Homeoffice nicht als Arbeitsunfall einstufen“. Die Rechtslage könne sich allerdings auch kurzfristig ändern: Der aktuellen Gesetzesentwurf zum Mobile-Arbeiten-Gesetz sieht eine Änderung des Sozialgesetzbuches vor. Danach sollen Arbeitnehmer im Homeoffice den gleichen Versicherungsschutz genießen, wie in der Betriebsstätte des Arbeitgebers.

Revision

Der Kläger hat bereits Revision beim Bundessozialgericht (BSG) eingelegt (Aktenzeichen: B 2 U 4/21 R). Der Ausgang ist durchaus offen. „Ich halte es nicht für ausgeschlossen, dass sich das Bundessozialgericht mit der Frage beschäftigt, ob nicht auch der Weg ins und vom Homeoffice bei Arbeitsantritt und Arbeitsende als Wegeunfall zu werten ist und möglicherweise seine Rechtsprechung ergänzt“, sagt Barbara Geck von der Kanzlei Bird & Bird im t3n-Gespräch. Die Juristin weiß, dass die Grenzen diesbezüglich in der Praxis noch nicht allzu klar abgegrenzt sind. Es sei möglich, dass der Fall zur Nachjustierung genutzt werde.

Zu den Artikeln:

t3n: https://t3n.de/news/gericht-entschied-arbeitsunfall-sturz-homeoffice-1378855/

beck aktuell: https://rsw.beck.de/aktuell/daily/meldung/detail/lsg-nordrhein-westfalen-sturz-auf-der-treppe-ins-homeoffice-kein-arbeitsunfall

Zu den Urteilen:

LSG: https://openjur.de/u/2317004.html
Zusammenfassung:

LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 09.11.2020 – L 17 U 487/19

Steht ein Arbeitnehmer, der morgens auf dem Weg von seinen privaten Wohnräumen zur (erstmaligen) Arbeitsaufnahme in seinem Homeoffice auf der innerhäusigen Treppe verunglückt, gemäß § 8 Absatz 1 Satz 1 SGB VII (Betriebsweg) unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung?

Das Urteil:
Auf dem Weg ins Homeoffice gestürzt: Kein Arbeitsunfall!

1. Sowohl bei Wegen nach und von dem Ort der Tätigkeit als auch bei einem direkt von der Wohnung aus angetretenen Betriebsweg (Dienstweg oder Dienstreise) beginnt die versicherte Tätigkeit erst mit dem Durchschreiten der Haustür des Gebäudes (Mehr- oder Einfamilienhaus), in dem sich die Wohnung des Versicherten befindet.

2. Die Annahme eines Betriebswegs scheidet aus, wenn sich der Arbeitsnehmer zum Zeitpunkt des Unfalls auf dem Weg in sein Arbeitszimmer zur erstmaligen Aufnahme seiner versicherten Tätigkeit am Unfalltag befand.

BSG AZ: B 2 U 4/21 R: https://www.bsg.bund.de/SharedDocs/Rechtsfragen/DE/B_02_U_04_21_R.html

Achim Schaller
Author: Achim Schaller

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